Aus der Rede an die Abiturienten '96 

gehalten am Gymnasium Anna-Sophianeum Schöningen

Bildung in der Informationsgesellschaft - Bildung in der Krise?
Lerninhalte und Bildungsziele im Konflikt? 
Am Beispiel der Mathematik wird der Frage nachgegangen, ob wir heute noch sinnvoll lernen und lehren. Für wen und für was müssen wir heutzutage Verantwortung tragen? 

Herr Dallmer gibt einen Ausblick. 

"Ich mache ja mit, aber weder macht es mir Spaß, noch sehe ich, wozu ich das einmal brauchen könnte." Hinter dieser Feststellung steckt nicht unbedingt Nützlichkeitsdenken, sondern auch die Suche nach Sinn. Da sind wir gefordert zu helfen. Gewiß, es gibt jahrzehntelang erprobte und bewährte Inhalte, Methoden, Denk- und Verfahrensweisen, mit denen wir Fähigkeiten und Bildung meinen vermitteln zu können. Neue Ideen und Inhalte sind nicht allein deswegen besser, weil sie neu sind. Dennoch muß sich Schule immer wieder fragen, ob das, was sie - und wie sie es - meint vermitteln zu müssen, für die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler - und damit für die Zukunft unserer Gesellschaft - notwendig, wichtig und vertretbar ist. Die Fragen sind einfach gestellt, ihre Antworten zu finden, gleicht dem Bemühen, einen gordischen Knoten zu durchschlagen. Ich will einige Gedankenfragmente dazu zusammenstellen, zunächst am Beispiel des Mathematikunterrichts. 

Ist Mathe nutzlos? 

Anfang des Jahres legte mir eine Schülerin aus der 9. Klasse mit lächelndem Gesicht vor einer Klassenarbeit eine Zeitungsnotiz mit dieser Schlagzeile auf den Tisch. Weiter war zu lesen: "Mit der These, der Mathematikunterricht nach den ersten sieben Schuljahren spiele für das spätere Leben keine Rolle mehr, hat der Mathematikprofessor Hans-Werner Heymann seine Zunft gegen sich aufgebracht..." Wenn ich davon einmal absehe, daß hier völlig undifferenziert nicht die Rede davon ist, wessen späteres Leben eigentlich gemeint ist, dann kann ich die Aussage sogar noch verstärken: Bedenke ich die Fähigkeiten von Schülern in der Prozentrechnung, dann müssen viele später mit noch weniger auskommen. Wir haben ja den Taschenrechner. Das Vertrauen auf ihn ist beträchtlich, das Mißtrauen auf den korrekten Lösungsansatz und die korrekte Eingabe ist gering. Nichts mehr durchschauen und verstehen zu müssen, ach wie schön, beliebig manipulierbar zu sein, ach, das merken wir dann gar nicht mehr. Paradiesisch? 

Wieviel Mathe braucht man? 

Seit 1991 beschäftigt sich ein Arbeitskreis in der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik mit der, wie man meint, historischen Umbruchsituation des Mathematikunterrichts, wobei man nicht nur aus der Perspektive des Mathematikunterrichts diskutiert, sondern mit Blick auf Allgemeinbildungskonzepte. Also die Frage nach neuen Bildungszielen. "Wieviel Termumformungen braucht der Mensch?" Diese Frage hat sich 1993 als bestimmende Metapher herausgestellt. Man kann ergänzen: "Wieviel Kurvendiskussion braucht der Mensch?" und "Wieviel Mathematik braucht der gebildete Mensch?" Wie kommt man nur zu solchen Fragestellungen, die manchen Mathematiklehrer mehr als erschrecken? Ganz einfach: die Computertechnik ist schuld. Angesichts neuartiger sog. "Trivialisierer" wie Formelmanipulationssysteme, ganze Algebra- und Geometriesysteme im fast Taschenrechnerformat, stellt sich die Sinnfrage, warum wir noch so Mathematik treiben, wie wir es bis zum Abitur in diesem Jahr getan haben. Bei all den noch fehlenden Antworten gibt es aber doch die wichtige Erkenntnis, daß die "Trivialisierung" mathematischer Gebiete noch keine Trivialisierung des Mathematikunterrichts bedeutet - eher ist zu erwarten, daß dieser anspruchsvoller wird. 

Vernetzte Erde 

Nur wenige technische Entwicklungen haben die Menschheit in so kurzer Zeit so dramatisch beeinflußt wie die Computertechnik, also die elektronische Datenverarbeitung. Wir befinden uns nach der industriellen Revolution in einer technologischen Revolution, wir sind, ohne jetzt auf Begründungen einzugehen, in einem "Wandlungsprozeß von welthistorischen Ausmaßen... Wissenschaftliche Entdeckungen und die Revolutionen in der modernen Technologie, insbesondere ihre Konsequenzen in den Bereichen des Transports und der Kommunikation, haben die Erde in einen globalen vernetzten Raum verwandelt."  

Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, die Sie das Geschehen in den ersten Jahrzehnten des kommenden Jahrhunderts mitbestimmen werden, sind in eine völlig andere Welt hineingewachsen als ihre Großeltern, aber auch in eine andere Welt als ihre Eltern und wir. Der wirtschaftliche Fortschritt und der zunehmende Wohlstand war und ist für viele meiner Generation und die Generation Ihrer Eltern wie eine Selbstverständlichkeit. Sie müßte das angesichts verbauter Berufsaussichten und drohender Arbeitslosigkeit mit Skepsis erfüllen, Sie müßten die unaufhaltsame Dynamik der Veränderungen registrieren und darauf reagieren, besser agieren lernen, Sie müßten ein schärferes Bewußtsein für die Bedrohung der natuuml;rlichen Mitwelt haben, Sie müßten bereit sein, mehr Verantwortung zu übernehmen. 

Prinzip Verantwortung 

In meiner eigenen Abizeitung stand eine Anzeige unter meinem Namen. Sie lautete: "Ich habe gut erhaltenen kategorischen Imperativ zu verkaufen. E. Dallmer, Kantstr. 7." Meine Beschäftigung mit Kant ging nicht sehr weit, immerhin, meine Klassenkameraden muß ich wenigstens ansatzweise beeindruckt haben. Mit dem Kantschen Kategorischen Imperativ spreche ich Fragen der Ethik an. Zunächst will ich übersetzen. Mit diesem Imperativ ist gemeint: "Handle so, daß Du auch wollen kannst, daß Deine Maxime, Deine Lebensregel, allgemeines Gesetz werde." Kann ich mit dieser Forderung noch zufrieden sein? Ich meine nein. Diese traditionelle Ethik stellt allein den Menschen in den Mittelpunkt, sie hat es mit dem Menschen des Hier und Jetzt zu tun. Das sittliche Universum besteht aus Zeitgenossen, und sein Zukunftshorizont ist beschränkt. 2 Die Erde ist aber zu einem globalen vernetzten Raum geworden, wie ich es eben schon formuliert habe. Noch anders ausgedrückt: Durch den hohen Stand der schon realisierten und der sich in Planung befindlichen technologischen Entwicklungen ist nahezu der gesamte Erdball zur globalen Stadt geworden. Damit ist der Verantwortungsbereich des Menschen in dramatischer Weise gewachsen. Angesichts der fast ins Unermeßliche gewachsenen technologischen Macht des Menschen und der sowohl räumlichen als auch zeitlichen Ausdehnung ihrer Wirkungen (Ozonloch, Endlager für Atommüll, Gentechnologie) ist eine sittliche Erweiterung des Verantwortungskonzepts nötig. Damit beschäftigt sich der Philosoph Hans Jonas in seinem Buch "Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation." 3 Er ergänzt den Kantschen Kategorischen Imperativ: Handle so, daß die Wirkungen Deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden. Oder anders ausgedrückt: Gefährde nicht die Bedingungen für den indefiniten (in der Art nicht vorher festgelegten) Fortbestand der Menschheit auf Erden. Wegen der enormen Wirkungskraft von Technikanwendungen haben wir heutigen Menschen eine besondere Pflicht zur Zukunft , die sich vorrangig in einer Pflicht gegenüber den Nachkommen zeigt. Wegen der Zukunftsorientierung des neuen Imperativs folgert Jonas, daß der sich viel mehr an öffentliche Politik als an privates Verhalten richtet, während Kants Kategorischer Imperativ an das Individuum gerichtet war. 4 (So gesehen bedeutet Politikverdrossenheit auch Ablehnung von Verantwortung.) Jonas' Überlegungen führen in die Richtung, daß auch Institutionen Verantwortungsträger werden, also auch Schulen. 

Nun kann jedoch moralische Verantwortung nicht einfach Institutionen zugeschoben werden, sie ist "unaufgebbar individuell-persönlich" 5 , sie kann aber nicht zwischen Individuen aufgeteilt werden, sondern sie kann nur von Gruppen getragen werden, indem jedes Gruppenmitglied sie "distributiv mitträgt" 6 . Niemand kann von moralischer Verantwortung freigesprochen werden, falls er Entscheidungsalternativen und Weigerungsmöglichkeiten besitzt. 

Hubert Markl, langjähriger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, schrieb über die Verantwortung in der Forschung: "Wer stets Vertrauen hat, ist dumm und lebt gefährlich. Wer aber immer nur mißtraut, kann nicht mehr leben" . Man sollte darüber nachdenken (und Prozente eben doch selber berechnen können). 

Informationsgesellschaft 

Der Computer erlaubt mehr Menschen einen schnelleren Zugriff auf mehr Informationen. Deswegen sprechen wir auch von einer Informationsgesellschaft. Mit diesem Thema brachte ein G7-Gipfel hochrangige Politiker und Wirtschaftsführer an einen Tisch. Die Rede war von der Datenautobahn (Information Highway). Aber ist Mangel an Informationen wirklich ein Problem für diese Gesellschaft? Ist das Problem nicht eher ein Mangel an Sinn? 7 Dennoch: die Entwicklung geht rasend schnell weiter. Die Interaktion zwischen Mensch und Computer wird sich ändern, natürlichsprachige Eingaben werden derzeit schon bei Juristen erprobt. 8 Speichermedien und Verarbeitungsgeschwindigkeiten verursachen kaum noch Engpässe. Alle relevanten Faktoren der elektronischen Datenverarbeitung erfahren einen Entwicklungsschub - nur einer nicht: der Mensch. Der Mensch wird zum Engpaßfaktor der Informationstechnik. 9 Die Gründe fasse ich stichwortartig zusammen. Es gibt 

  • Grenzen der menschlichen Bedienungsphysiologie 
  • geistige Grenzen der Aufnahme und Verarbeitung. 
  • Im kommerziellen Bereich propagieren neue Entwicklungen zu Recht die Abkehr vom betrieblichen Informations-overkill. 
  • Grenzen des Kommunikationspotentials. 
  • Der Mensch kann innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit nur eine bestimmte Menge an Nachrichten und Informationen einerseits generieren und versenden, andererseits empfangen, aufnehmen, verstehen und verarbeiten. Lag früher ein Problem darin, Entscheidungen zu treffen, ohne daß ausreichende Informationen verfügbar waren, so existieren heute - ein Paradoxon des Computerzeitalters - oft so viele Informationen, daß ihr vollständiger Einbezug in eine in der Regel unter Zeitdruck stehende Beschlußfassung nicht mehr möglich ist. Entscheidungsangst wird erzeugt. 10 

Langsame Evolution 

Wie wollen Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten - aber auch noch wir - der Zukunft der technologischen Entwicklung entgegensehen, wenn für den Menschen als ihren "Nutzer" und "Bediener" weiterer technischer Fortschritt nicht mehr handhabbar ist, wenn seine Evolution dem technischen Fortschritt hinterherhinkt? Oder hilft dann nur noch der Computer, der den Computer steuert? "Auf lange Sicht" , so der Computerforscher Marvin Minsky, "werden wir uns selbst durch Maschinenintelligenz ersetzen." Auch ich beginne umzulernen, zu ahnen, was neuronale Netze einmal leisten könnten. Auch ich habe das bekannte Schlagwort vertreten, ... "das besagt, man könne aus Computern nicht mehr herausholen, als was man hineingetan habe. Eine andere Version lautet: Computer tun exakt das, was man ihnen sagt, und sind daher niemals schöpferisch (für die Schulinformatik gilt das auch immer noch). Dieses Schlagwort" , sagt der Soziologe Richard Dawkins, "ist nur in einem schrecklich belanglosen Sinne richtig, in dem Sinne nämlich, daß Shakespeare niemals etwas anderes geschrieben hat als das, was ihm sein Grundschullehrer beigebracht hat - Wörter." 11  

life-long learning 

Sie sind schöpferisch, liebe Abiturienten und Abiturienten, daher sollte bei ihnen auch mehr herauskommen, als wir in der Schule ihnen sozusagen eingetrichtert haben. 

Vor dem Abi gab es für viele von ihnen so etwas wie Lernstreß. Daß die jetzt auf Sie zukommende Berufsausbildung wieder etwas mit Lernen tun hat, ist selbstverständlich. Daß wir uns zu einer life-long-learning-society entwickeln werden, mehr als heute, ist wohl kaum wirklich allgemein registriert, wenn auch schon seit 1976 bildungspolitische Leitvorstellung der UNESCO. 12  

Schlagwortartig seien einige Probleme einer life-long-learning-society zusammengestellt, über die derzeit am meisten diskutiert wird: 

  • Es wird dem Menschen heute schon und in Zukunft noch mehr zugemutet, sich auf Berufswechsel einzustellen. 13 
  • Anforderungen, die man gewöhnlich mit Mobilität und Flexibilität umschreibt, sind zunehmend innerhalb eines Berufes unentbehrlich, also in steigendem Ausmaß kontinuierliche Weiterbildung. (Sichere Kenntnisse in mindestens einer Fremdsprache, Auslandsaufenthalt ...)
  • Die Informationstechnologie wird so weit in den Alltag eingreifen, daß fortgesetzte Weiterbildung notwendig wird, um nicht in eine neue Art von Analphabetismus zurückzufallen. 14 
  • Es wird von bildungsorientierter Aufklärung abhängen, wie sich politische Mehrheiten künftig zusammensetzen. In absehbarer Zeit werden die Unter-Sechzigjährigen eine politische Minderheit darstellen. Besorgniserregend die Fragen nach finanziellen (Renten) und sozialen (Pflege) Ressourcen. 15 

Es ist ein Wandlungsprozeß von spezialisierter Arbeitsteilung zu vernetzten Arbeitsabläufen zu erwarten. Neben fachspezifischen Ausbildungsinhalten werden, insbesondere in leitenden Positionen, allgemeine und überfachliche Leistungsdispositionen gefragt, also im weitesten Sinne soziale Kompetenzen, ausgeprägtes Kommunikationsverhalten, Kreativität und Teamgeist, Bereitschaft zur übernahme von Verantwortung 16 , also das, was man unter formaler Bildung zusammenfaßt. 

Bildung und Wissen 

Da steh ich nun als Lehrer mit der für mich durchaus beklemmenden Frage: Habe ich meine Schüler auf diese zukünftigen Anforderungen genügend vorbereitet? Können wir das in Zukunft überhaupt noch bei einer von Finanzen vorbestimmten Bildungspolitik, bei "Bildung auf Katastrophenkurs" 17 ? Was antworte ich auf die Frage, was das alles in Mathematik sollte? Wissen ist wichtig, zunehmend. Wissen, wie man z.B. eine quadratische Gleichung löst oder wie man einen Term umformt. Wissen ist aber auch wieder relativ, zunehmend. Nicht die Lösung einer quadratischen Gleichung an sich ist wichtig, sondern die damit erworbene Fähigkeit, weiteres Wissen und weitere Qualifikationen zu erwerben. Andere Fachbereiche ermöglichen andere Qualifikationen. Die Notwendigkeit einer breit angelegten Grundausbildung ist unbestritten. Der Begriff der Schlüsselqualifikationen hat sich in diesem Zusammenhang seit 1974 etabliert, also übergeordnete Bildungsziele und Bildungselemente als Schlüssel zur Erschließung von wechselndem Spezialwissen. 18  

Reifezeugnis 

So neu ist das aber nicht. Humboldt selbst definiert sein Bildungsziel: "Der Schüler ist reif, wenn er so viel gelernt hat, daß er für sich selbst zu lernen imstande ist." Das Abiturzeugnis heißt deswegen auch Reifezeugnis. Eines ist aber doch deutlich anders als zu Humboldts Zeiten: Das der Menschheit zur Verfügung stehende Wissen vergrößert sich in Form einer Exponentialfunktion, auch wenn es z.T. wieder schnell überholt ist. Im Bereich der Informatik redet man von einer Halbwertzeit des Wissens von deutlich unter fünf Jahren. Deswegen wird es immer schwieriger, Allgemeinbildung an inhaltlichen Kriterien zu definieren. Das gilt insbesondere, wenn formale Qualifikationen so allgemein sind wie z.B. die Flexibilität. Schüler sind in mancherlei Beziehung flexibel. Wie flexibel bin ich selber? Welche formalen Qualifikationen habe ich selber? Ohne ins Detail gehen zu wollen, kann ich feststellen, daß auch die neuere Transferforschung die Hoffnung mindert, übergreifende inhaltsunabhängige Kompetenzen, wie sie mit der formalen Bildung umschrieben werden, vermitteln zu können. 19 Tröstlich für mich. Die Abhängigkeit formaler Bildung von inhaltlicher Bildung bleibt unaufgelöst. So kann ich, das ist aber nur als ein Beispiel gedacht, doch bei der inhaltlichen Forderung bleiben, das Auflösen quadratischer Gleichungen lernen zu müssen, wenigstens einmal verstanden zu haben, es nicht nur auswendig gelernt zu haben. Daß Lerninhalte sehr vielfältig sind, ständig hinterfragt und gegebenenfalls aktualisiert werden müssen, ist offensichtlich und weitgehend auch schulischer Alltag. Also auch das, was nicht unmittelbar zu gebrauchen scheint, macht Sinn. 

zoon politikon 

Vielfältig heißt nun nicht, daß viel lernen insbesondere wichtig sei. Der Viel-Lerner wird auch leicht zum Nichtwisser, versperrt doch die Anhäufung von Information den Blick aufs Ganze und Verantwortlichkeit geht dann verloren. 20 Lernen, um weiser zu werden in bezug auf das, was einer lernt. So ähnlich hat es bereits Platon gesehen. Für mich heißt das auch: die Gesamtqualifikation auf Ihrem Abiturzeugnis ist allein kein Maßstab für Ihre Bildung. Das mag insbesondere diejenigen trösten, die nicht die gewünschte Note erreicht haben. Bildung (inhaltliche und formale) ist ein menschlicher Wert, der zur Befreiung, Emanzipation und Mündigkeit führen muß. Bildung macht den Menschen menschlich und ermöglicht es dem Individuum, Person zu werden. Und Persönlichkeiten sind gefragt! Die Persönlichkeit ist auch wieder keine Funktion der Gesamtqualifikation. Bildung läßt den Menschen als zoon politikon 21 , wie Herr Uhlig in seiner Abiturrede an dieser Stelle schon einmal formuliert hat, seinen Mitmenschen gegenüber verantwortlich sein und entsprechend handeln, auch in einer technologisch veränderten Welt. Bildung ermöglicht es, die Welt als sinnvoll und lebenswert zu erkennen, und nur so wird der Einzelne sich in Zukunft für diese Welt engagieren. Womit ich den Gedankenkreis zu einer erweiterten zukunftsorientierten Ethikvorstellung wieder geschlossen hätte. Lernen Sie weiter, und werden Sie im platonischen Sinne weiser und bereit zur Übernahme von Verantwortung. Ich wünsche Ihnen auf diesem und auf Ihrem ganz persönlichen Weg in die Zukunft alles Gute. 

Eckhard Dallmer